Mit dem Schwert auf dem Inneren Weg
von Patrick Urban, Berlin im März 2016


Der Innere Weg
Sofern der Mensch an den Punkt kommt, an dem er ein Gespür für das Spannungsfeld
zwischen Ich-Entwicklung und den äußeren Lebensumständen erlangt, kann ein inneres
Drängen hin zur Er-Lösung dieses Spannungsgefälles entstehen - die eigene Begrenztheit, das Vermögen in der Welt zu sein, wird als Leiden erlebt.


Erfahrungen werden eingefroren
In der Entwicklung der Persönlichkeitsstruktur werden Ereignisse, Erlebnisse und deren
bestmögliche Bewältigung ausdifferenziert. Im Extremfall kann bei einem traumatischen
Ereignis die extreme körperlich-emotionale Belastung verdrängt und „eingefroren“ werden,
und dann als blockierende Panzerung bestehen bleiben.


Stetiges oder Traumatisches Erleben
Lebensgeschichtlich wäre diese Ereignis sozusagen digital. Im Körper wird von 0 auf 1
geschaltet. Durch alltäglich wiederkehrende Ereignisse würde dieser Vorgang dann eher
analog erfolgen, also allmählich, so wie wenn das Licht mittels eines Dimmers reguliert wird,
wie eine Schlittenfahrt oder die Fahrt mit dem Fahrstuhl in umgekehrter Richtung. Nach und
nach, allmählich, stetig, ggf. mit Zwischenhalt.


Leben! – mehr als Entspannung.
Körperorientierte Verfahren sehen Körper und Geist als untrennbare Einheit. Selbsterfahrung
bietet eine Tür zu Weiterentwicklung und Heilungsimpulsen durch Übungen und
Nach-Nähren. Selbstreflexion und heilsames Erleben kann den Kontakt zu Körperbereichen blockierter Lebens-Energie und festgehaltenen Emotionen ermöglichen.


Nach Dürckheim reicht es nicht aus Spannungen mit der Methode von
Entspannungsverfahren (z.B. autogenem Training) zu lösen: „denn dies ist weiterhin nichts
anderes als die Beibringung von Mitteln, die den Menschen befähigen, schmerzfrei in seinen
Fehlhaltungen weiterzuleben und vor dem auszuweichen, was nottäte: Anders zu leben."

(HARA, S. 132) Dieses Andere Leben meint die Integration der Erlebnisse & Erfahrungen durch Übungspraxis, Selbstreflexion oder Intervention.


In den Körpertypen nach Reich/Lowen zeigen sich Charaktertypische Körperstrukturen die
Lebensgeschichtlich bedingt sind, hier können zwei Grundtypen zusammengefasst werden:
Körperypen mit schwachem ICH und starkem ICH.


Immer geht es bei den Körpertypen auch um lebensgeschichtliche Ereignisse und der
Annahme, wie und wo die Lebensenergie im Körper manifest ist. Reich nimmt noch den
Aspekt der Ladung in seine Betrachtung mit auf. Für die Arbeit mit dem Körper lassen sich
nun folgende Fragen als Ansatzpunkte festhalten:


Wo lassen sich Blockaden feststellen? und lösen?
Wo ist Energie / Ladung im Körper? die sich ausdrücken will?


Ausgehend von der Betrachtung von Einzellern (z.B.: Glockentierchen ->Filmclip bei Wikipedia) sah Reich das Grundprinzip von Leben in den beiden gegenläufigen Zuständen von Zusammenziehen und Ausdehnen, Kontraktion/Expansion, Laden/Entladen. Lust (Expansion), Angst (Kontraktion). Im Zustand der Längsstreckung können rhythmische Bewegungen ausgeführt werden (vgl.: Wurmbewegung, peristaltische Darmbewegung)


Selbsterfahrung mit dem Schwert
In der Arbeit mit dem Schwert biete ich Übungen an, die hilfreich für diesen Inneren Weg
sein können. Es sind Übungen die mit Spannung und Entspannung zu tun haben. Übungen,
die Bewusstheit des Atems einbeziehen, der seiner Natur nach dieses (Lebens-) Prinzip selbst
ist.


Bei den Übungen mit dem Schwert ist die Ausholbewegung, die mit dem Einatem in
natürlicher Weise korrespondiert, ein Laden/Spannen. Die Schnitt- oder Schlagbewegung ist
dann mit dem Ausatem verbunden, ein Entladen/Entspannen. Aufbauen von Energie, abgeben
von Energie. Wie einen Gummi über den Fingernagel Spannen und Lösen, wie es sich auch
im Bogenschiessen findet.


Bei den Schwertübungen in der Gruppe kommt noch die Beziehung, der Kontakt mit den
Mitübenden hinzu. Das Üben wird soziale Interaktion, Beziehungskunst. Die Qualitäten der
Bewegung und Berührung können vom Übungspartner gespürt und bezeugt werden. Die
Übung wird zum inneren Weg der zugleich in der Welt in Erscheinung tritt.

 

Literaturhinweise
Karlfried Graf Dürckheim, HARA. Die Erdmitte des Menschen (O.W. Bart Verlag, 1986)
Matthias Ennenbach, Buddhistische Psychotherapie (Windpferd, 2012)
Wilhelm Reich, Die Funktion des Orgasmus (Kiepenheuer und Witsch, 2014)
Reinhard Kammer, Zen in der Kunst das Schwert zu Führen (O.W. Barth Verlag, 2000)
Eugen Herrigel, Zen in der Kunst des Bogenschiessens (O.W. Barth Verlag, 1960)